Nomade Moderne ist eine Wiener Hutmanufaktur, die seit 2016 Hüte auf Wunsch anfertigt. Wie das Label gegründet wurde, welche Schwierigkeiten Nuriel Molcho überwinden musste bis hin zur genauen Herkunft seiner Stoffe und seiner eigenen Lieblings-Kleidungsmarken- all das erfährst du jetzt im Interview.
Ich wollte mit Nuriel Molcho über seine Marke sprechen, weil mir an Unternehmen dieser Art viel liegt. Sie schätzen Nachhaltigkeit, arbeiten mit viel Liebe und Mühe an ihren Produkten und sind kein Riesenbetrieb mit Massenanfertigungen. Hüte von Nomade Moderne sind keine Wegwerfmode, sondern etwas für lange Zeit. Viel Spaß beim Lesen!
Nuriel Molcho im Interview
Laurel: Hallo Nuriel!
Nuriel Molcho: Hallo!
L: Erst einmal vielen Dank für deine Zeit! Ich würde sagen, beginnen wir gleich mit dem Interview.
NM: Sehr gerne!
“Ich habe hochwertige, handgemachte Hüte gesucht, die aber irgendwie einen individuellen Twist haben, die etwas Besonderes sind.”
L: Du hast “Nomade Moderne” ja 2016 erst gegründet. Welche Geschichte ging dieser Entscheidung voraus?
NM: Der Grund war, dass Mode mich generell schon immer interessiert hat. Hüte sind nicht nur einerseits Teil der jüdischen Tradition- ich hab also immer viel von Hüten mitbekommen- sondern ich habe auch selbst immer gerne Hüte getragen. Ich glaube, in der Mode hat sich sehr viel weiterentwickelt, aber bei Hüten ist es irgendwie stehen geblieben.
Ich habe also gesucht; gibt es irgendwo innovative Hüte? Und damit meine ich keine billigen, throw-away Hüte von bekannten Marken, die dann eine Woche halten … Ich habe hochwertige, handgemachte Hüte gesucht, die aber irgendwie einen individuellen Twist haben, die etwas Besonderes sind. Ich habe recherchiert, gesucht, wer so etwas macht, und gesehen: Es gibt sehr wenige. Und die, die es so machen, verlangen enorm viel Geld dafür. So 1600€ – 2000€ pro Hut.
Einerseits hat ein altes Handwerk natürlich seinen Wert, Maßschuhe, Maßanzüge kosten auch etwas in die Richtung, aber für mich persönlich ist das doch etwas zu viel. Also habe ich geschaut, wie man Hüte überhaupt macht. Ist es so kompliziert, oder wie kommen die so auf einen Preis?
Ich habe dann wirklich ganz naiv einfach auf YouTube gesucht “How to make a hat” und habe dann jedes Video, das es über Hüte gibt, angeschaut. Danach habe ich- wieder sehr naiv- einfach großen Hutmachern geschrieben und gefragt, ob ich ihnen bei der Arbeit zuschauen kann: “Ich würde gratis arbeiten, ich würde für euch Fotos machen oder einen anderen Mehrwert für euch darstellen. Ich würde einfach gerne sehen, wie dieses Handwerk funktioniert.”
L: Wie haben diese Hutmacher reagiert?
NM: Eigentlich alle sehr positiv und sehr offen. Es ist nämlich so, dass viele dieser alten Handwerke sehr versteckt sind, heutzutage. Man sieht einen Hut, aber niemand weiß, wie wird er eigentlich hergestellt. Und das Interesse dafür ist auch nicht groß vorhanden.
Es gibt in dieser Branche vor allem ältere Herren und wenn jetzt eine junge Person kommt, dann ist das ganz gerne gesehen. Denn die traditionellen Hutmacher merken auch, dass heute maschinell alles viel schneller und billiger geht. Und dieses Handwerk stirbt aus, sie wissen nicht, an welche Generation das weitergegeben werden soll. Weil, wie gesagt, andere Maschinen machen das mit Maschinendruck, aus Wolle, riesige Mengen. Und darum sind sie froh, dass sie noch einen Teil dieses Handwerks weitergeben können.
L: Das heißt, du hast bei einer anderen Hutmarke begonnen und dort deine ersten Schritte gemacht?
NM: Nicht ganz, ich habe einfach bei verschiedenen gelernt. Ich habe von allen gelernt, die ich super gefunden habe. Ich habe auch Hutmachern auf Instagram geschrieben, gefragt, wie sie dieses und jenes machen. Manche schreiben zurück, manche nicht. Ich habe einfach sehr viele Informationen aufgesaugt und dann war die größte Herausforderung für mich die Werkzeuge. Die werden heute nicht mehr gemacht.
Ich arbeite mit Werkzeugen, die teilweise über 100 Jahre alt sind. Und viele große Hutmacher in Texas und den ganzen “Cowboy-Städten”, kaufen alles auf, was es gibt und lagern es. Denn wenn so ein Werkzeug kaputt wird, kannst du es nicht reparieren, du brauchst ein neues. Darum ist es sehr schwierig, etwas zu finden.
L: Wie hast du dein Werkzeug gefunden?
NM: Ich hatte Glück, dass ein Herr auf willhaben.at Hutwerkzeuge seiner Großmutter, die große Hutmacherin war, angeboten hat. Die war vor kurzem gestorben und er hat am Dachboden eine Kiste mit Werkzeugen gefunden. Ich konnte einen sehr großen Teil bei ihm kaufen, das war ein großes Glück!
“Die ersten Hüte waren krumm und nicht schön und angebrannt.”
Und dann war es “learning-by-doing”. Ich habe Zuhause experimentiert. Man muss den Mut haben, Fehler zu machen. Die ersten Hüte waren krumm und nicht schön und angebrannt. Ich wusste nicht, wie lange ich sie bedampfen musste, wie ich mit dem Bügeleisen arbeiten musste … Du musst es einfach probieren. Nicht aufgeben.
Durch unsere Fehler entstanden unsere wichtigsten Markenzeichen, der roughe Look von Nomade Moderne. Was damals ein Fehler war, gehört jetzt zur Marke.
L: Es entstand also langsam der Stil von “Nomade Moderne”. Wie kam es zu diesem Namen?
Ich habe darüber nachgedacht, meine Initialen zu verwenden, aber wollte meine Marke nicht “Nuriel Molcho” nennen. Was konnte ich also mit meinen Initialen anfangen? Ich dachte mir, ich bin jemand der sehr viel reist, ich liebe diesen Lebensstil eines Nomaden. Du bist nirgendwo zu Hause, fühlst dich aber überall zu Hause und wohl. Du reist, du bist offen. Abern nicht traditionell der Typ, der immer von einem Platz zum anderen wandert, sondern der moderne Nomade, dessen Zuhause die Welt ist. Ein Weltbürger, wie man heute sagt.
“Der Name spiegelt sich auch in den Materialien, die wir verwenden. Es sind Stoffe und Bänder aus aller Welt.”
Der Name spiegelt sich auch in den Materialien, die wir verwenden. Es sind Stoffe und Bänder aus aller Welt. Auf jeder Reise suche ich Vintage-Hutmacher, durchsuche Flohmärkte und nehme die schönsten Sachen mit. Darum ist auch kein Hut von uns neu. Jeder Hut hat ein Teil Geschichte in sich.
L: Arbeitest du ganz alleine bei Nomade Moderne?
NM: Nein, meine Verlobte, Audrey, ist zu gleichen Teilen mit dabei. Sie hat am Anfang nur die Nähte gemacht und ich habe mich irgendwann beschwert, dass sie nicht so leidenschaftlich dabei war. Dann meinte sie, weil es in der Marke nur um mich geht und ich sie mehr als Angestellte sehe. Das wollte nicht und nach ein paar Monaten haben wir uns alles 50/50 aufgeteilt. Sie ist nur nicht so sehr eine Person der Öffentlichkeit, wie ich. Aber ich könnte die Hüte nicht ohne sie machen.
“Audrey kann Hüte besser machen als ich.”
Seit sie 50/50 dabei ist, ist die Qualität der Hüte um einiges gestiegen. Ich bin der Marketing-Mensch und habe auch viele Ideen, aber was das Handwerk angeht, das ist Audrey. Audrey kann Hüte besser machen als ich. Und sie ist wirklich ganz genau. Darum mache ich jetzt auch mehr Bilder von ihr, wir machen Interviews eigentlich zusammen und treten mehr gemeinsam auf.
L: Was ist momentan dein Hauptmaterial für Hüte?
NM: Einen Hut kann man aus drei verschiedenen Materialien machen. Es beginnt mit Wolle, das sind meist in Massen produzierte Hüte, dann kommt Hasenfilz und zum Schluss Biber. Biber hat die höchste Qualität, ist für uns aber nicht ganz nachvollziehbar, weil die Tiere nur für den Filz gezüchtet und getötet werden. Wir wollten also nicht den Biber benützen.
Den Hasenfilz kann man von Jägern einkaufen, man könnte sogar nur die loosen Haare benützen und es ist ein bisschen ökologischer, deswegen haben wir und dafür entschieden. Wir haben mit verschiedenen Firmen gearbeitet, aus England, Deutschland, und haben uns dann für eine Firma aus Portugal entschieden, weil die Qualität am besten und die Herstellung am korrektesten war.
L: Inwieweit weißt du, wie dein Filz hergestellt wird? Ist das menschenfreundlich? Könnt ihr auch Hüte für meine veganen Leser herstellen?
NM: Also es sind keine gezüchteten Tiere. Es kommt alles von Jägern, die den Hasen für das Fleisch jagen. Es wird alles verwertet, der Filz ist in dem Fall im Prinzip das Nebenprodukt. Man muss auch sagen, das sind keine Massenproduktionen, von denen wir kaufen. Das sind ganz kleine Firmen, die regional arbeiten, die ihren Filz für uns produzieren. Ich musste überhaupt mal ein halbes Jahr warten, bis ich Kontakt zu denen bekam. Die müssen auch mit deiner Marke einverstanden sein, weil sie nicht jeden Kunden annehmen und nur für wenige Leute produzieren. Deswegen hat unser Filz tolle Qualität und ist auch ein wenig teurer.
“Für eine vegane Bloggerin habe ich einen alten Hut aus den 50ern gefunden und ihr einen neuen daraus gemacht.”
Für Leute, die es ganz nachhaltig haben wollen, weil wir auch sehr nachhaltig denken: wir kaufen auch Vintage-Hüte ein, oder alte Hüte, die kaputt sind, können sie restaurieren und zu etwas völlig Neuem machen. Das wäre dann ein “recycled hat”, sozusagen. Für eine vegane Bloggerin habe ich einen alten Hut aus den 50ern gefunden und ihr einen neuen daraus gemacht. Das fand sie okay. Man kann dann innen auch mit Gummi statt mit Leder arbeiten und so weiter …
L: Wo wir schon bei besonderen Modellen sind: Was kann ich mir für meinen Hut alles wünschen?
NM: Du kannst von A-Z alles einbringen, da alles von Hand geformt und gemacht wird. Vor kurzem hat mir eine Kundin eine Illustration gezeigt, von einem absurden Hut, eigentlich eine Karikatur, und sie hat gefragt, ob ich ihr so etwas nachmachen kann. Ich habe gesagt: Ja sicher.
Also da gibt es null Einschränkungen in der Kreativität. Wir schauen auch, ob er zu dir, zu deiner Gesichtsform passt, lange Krempe, kurze Krempe, wie er gut aussieht.
L: Wenn ich beschlossen habe, einen Hut bei dir machen zu wollen: Wie erreiche ich dich und wie machst du den Hut nach meinen Vorstellungen?
NM: Das funktioniert immer mit Terminen. Man schreibt uns und entweder man kommt persönlich vorbei, oder wir telefonieren. Es gibt immer einen persönlichen Kontakt. Wir nehmen deine Maße oder erklären dir, wie du deine Maße selbst nehmen kannst. Wir sehen uns Bilder zur Inspiration an, sehen uns Farben und Formen an. Wenn die Kunden nicht physisch da sind, schicken sie mir ein Bild von sich, damit ich auch sehen kann, was zu wem passen wird.
Wir tasten uns immer näher an ein Modell heran, bis wir etwas finden, das dir perfekt steht.
L: Jetzt noch kurz zu dir selbst. Wie würdest du deinen Stil allgemein beschreiben? Auf die Mode und dein Leben bezogen.
NM: Alles ist sehr angehaucht von der orientalischen Welt. Lockere Stoffe, Sachen, die fallen, die schöne Linien haben. Ich bin niemand, der sehr steif und konservativ angezogen ist, sondern locker, womit ich mich wohl fühle. Ich lege sehr viel Wert auf Stoffe und Materialien. Also ich kaufe mir lieber wenig für viel Geld und trage es über sehr viele Jahre, als viel für wenig. Weil ich nicht an diese Wegwerf-Kultur glaube.
“Ich habe noch immer Kleider von meinem Vater, die ich umgeschneidert habe, die über 40 Jahre alt sein.”
Ich habe noch immer Kleider von meinem Vater, die ich umgeschneidert habe, die über 40 Jahre alt sein. Solche Kleidung wird fast nicht mehr gemacht, weil die Leute nicht dafür zahlen. Aber das sind so schöne und hochwertige Sachen, und ich würde auch gerne meinen Kindern etwas davon vererben. Das hat einfach so viel Charakter.
L: Sehr coole Einstellung! Hast du Lieblingsmarken?
NM: Ja, es gibt einige Marken, die ich sehr gerne mag. Hannibal zum Beispiel, das sind junge Designer aus München, die sehr schöne Schnitte machen und auch keine Massenkollektionen fertigen. Von gewissen Größen gibt es nur einige wenige Teile.
Dann gab es früher den Designer Damir Doma. Seine ersten Kollektionen, als er noch unbekannt war, waren diese typischen, nomadischen Wahnsinns-Kollektionen. Nur leider wurde er dann von Investoren aufgekauft und ist jetzt sehr kommerziell. Er hat jetzt nichts mehr damit zu tun, was er früher einmal war. Und Leute zahlen heute sehr viel Geld für diese alten Stücke, weil sie so selten sind. Ich habe ihn durch Zufall und Glück damals entdeckt und besitze einige Stücke.
L: Wie sieht es mit Schuhen aus?
NM: Ich war mal lange Zeit Sneaker-Fan. Habe auch viel mit Firmen zusammengearbeitet, gerne besondere Sneaker getragen. Aber heute geht es mehr so in Richtung gute Lederschuhe. The Last Conspiracy gefällt mir da sehr gut! Die sind aus Dänemark. Die machen richtig coole Lederschuhe und Boots und sind auch nicht zu teuer.
L: Und was für Musik hörst du gerne?
NM: Sehr gemischt. Von Funk und Soul der 70er Jahre bis Techno. Aber am liebsten einfach positive Musik, soulful und funky, zum Wohlfühlen.
L: Zum Abschluss noch einmal zu Nomade Moderne zurück: Wie zufrieden bist du mit der Entwicklung von Nomade Moderne in diesem etwas über einem Jahr?
NM: Ich habe das nie gestartet mit dem Plan, eine Firma zu starten. Anfangs wollte ich nur Hüte für mich kreieren. Es ist dann organisch gewachsen. Leute haben mich darauf angesprochen, ich habe mein Studio bezogen, habe neue Kontakte bekommen und bin begeistert, wie weit das gekommen ist. Mir hat heute beispielsweise eine Fernsehshow aus Japan geschrieben. Sie würden gerne etwas über uns machen. Sie machen eine Show über Europa und Designer und wollen auch in Wien bei uns einen Stop machen. Wir haben Kundenanfragen aus Paris, New York, LA.
Wie machen vor allem nicht aggressiv Werbung. Eigentlich verwenden wir nur Instagram, und die Leute reden darüber. Wir wollen auch keine Hüte verschenken um so viele Leute, wie möglich erreichen. Du kommst zu uns, wenn du einen individuellen, handgemachten Hut möchtest. Unsere Preise sind sehr fair.
L: Die Erfahrung, einen maßgeschneiderten Hut gemacht zu bekommen, den Besuch in der Werkstatt, diese Erfahrung kauft man ja auch mit.
NM: Genau!
L: Wo siehst du Nomade Moderne in der Zukunft?
NM: Es ist alle ungeplant. Ich weiß nicht, in was für eine Richtung es geht. Wir freuen uns über jeden neuen Kunden und Sachen ergeben sich. Aber auf lange Sicht wäre es cool, wenn wir Shops in anderen Städten hätten. Vielleicht einfach ein paar Showrooms, wo man Modelle anprobieren kann. Ich finde, das Erlebnis mit uns ist noch immer das Schönste. Aber ich habe dann doch auch Kunden, die beispielsweise in Berlin sind und ein Modell anprobieren möchten. Die würden total gerne sehen, wie ihnen ein Hut stehen würde. Wenn man so kleine Showrooms hätte, an den richtigen Plätzen, könnte man dort Hüte probieren und dann mit uns telefonieren. Wir produzieren den Hut dann hier und schicken ihn an die Kunden. Das wäre schon denkbar.
Ob ich die Hüte auch von jemand anderem als Audrey und mir machen lassen würde, weiß ich nicht. Aber vielleicht findet man Angestellte, die genau diesen Geist haben und wir erweitern doch. Ist auch eine Möglichkeit. Also wir schauen, wie es kommt.
L: Nuriel, vielen Dank für das Interview und viel Erfolg noch mit Nomade Moderne.
NM: Gerne, gerne. Und Danke!
Ich hoffe sehr, das Interview hat dir gefallen! Folgend findest du die Kontaktdaten zu Nomade Moderne und bald kommt ein weiterer Beitrag über meinen ganz persönlichen, individuellen Hut, der jetzt gerade bei Nomade Moderne gemacht wird. Alles zu diesem Prozess kommt bald am Blog. Trage dich doch in den Newsletter ein, oder folge meinem Blog, um nichts mehr zu verpassen.
Bei Interesse an einem Hut, einfach eine Mail an Nomade Moderne:
Nomade Moderne
Mail: office@nomade-moderne.com